Geschmacksführer: Oloroso Sherryfass

Oloroso Sherryfässer sind wie allgemein bekannt sein dürfte, nach Ex-Bourbonfässern die am zweithäufigsten eingesetzten Fässer für die Whiskyreifung in Schottland. Kilchoman reift ungefähr 30% seiner jährlichen Produktion in diesen Fässern.

Ausschließlicher Kilchoman-Sherryfass-Lieferant ist die renommierte Bodega José y Miguel Martín aus Jerez in Spanien, die spezialisiert auf die Herstellung von Sherryfässern für die schottische Whiskyindustrie ist.

Die Bedeutung von Oloroso-Fässern für die Kilchoman-Destillerie zeigte sich schon sehr früh. Bereits die Kilchoman Inaugural Release, der erste 2009 im damals völlig unüblichen Alter von 3 Jahren auf den Markt gebrachte Kilchoman-Whisky, wies ein Oloroso Sherryfinish von 5 Wochen auf. Dies verlieh dem noch sehr jungen Whisky mehr Komplexizität und Tiefe und war sicher eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Auch die nächsten beiden Kilchoman Limited Releases folgten diesem Konzept, bevor man sich mit der Summer 2010 Release erstmals an eine reine Bourbonfass-Reifung wagte.

Die Zugabe von Sherryfässern in Batches mit Bourbonfässern bildet bis heute ein entscheidendes Element der Whiskyproduktion bei Kilchoman, setzt man doch besonders bei den für ein breiteres Publikum gedachten Abfüllungen fast immer auf eine Mischung von Bourbon- und Sherryfässern.

Auch wenn Anthony Wills bekennender Fan von Bourbonfass-Vollreifungen ist, gibt es bis heute keine einzige durchgehend erscheinende General oder Limited Release mit reiner Bourbonfassreifung. Im Laufe der Jahre experimentierte man mit verschiedenen Bourbon/Sherryfassverhältnissen, ein Anteil von ca. 10% Oloroso Sherry erwies sich für Anthony Wills als ideal. Das ist nicht ohne Grund auch genau der Sherryfass-Anteil in Kilchomans Standardwhisky Machir Bay.

Nun aber zu ausschließlich in Oloroso Sherryfässern gereiftem Whisky. Im Jahr 2012 veröffentlichte Kilchoman erstmals eine Sherry Cask Limited Release, seit ihrer 2. Ausgabe im Jahr 2013 trägt sie den Namen des in der Nähe der Destillerie gelegenen Sees Loch Gorm.
Die jährlich immer im Frühjahr erscheinende Abfüllung ist unzweifelhaft eine der bekanntesten und beliebtesten Kilchoman-Releases. Die einzelnen Editionen unterscheiden sich von Jahr zu Jahr etwas in der Zusammensetzung der verwendeten Fässer. Mit zwei Ausnahmen in der Anfangszeit der Reihe wo auch 250l Hogsheads zum Einsatz kamen, sind es immer die 500 Liter fassenden Oloroso Sherry Butts, aber unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Anzahl von First Fill und Refill-Fässern.
Von 2012 bis 2020 wurden die für den Loch Gorm abgefüllten Sherry Butts im Schnitt auch immer ein Jahr älter, d.h. man konnte hier sehr gut die zunehmende Reifung des Kilchoman-Whiskies in Sherryfässern nachverfolgen. Seit Anfang der 2020er Jahre hat man diese Altersentwicklung eingefroren. Seitdem versucht man durch den Einsatz von ca. 8 bis 13 Jahre alten Fässern jeweils eine Mischung zu erreichen, in der die Sherrytöne den Kilchoman-Destilleriecharakter nicht dominieren, sondern eine harmonische Synthese bilden.

Der nach einer felsigen Bucht in der Nähe der Destillerie benannte Sanaig ist die zweite wichtige Oloroso Sherryfass-Abfüllung von Kilchoman. Nachdem er als limitierte Ausgabe im Jahr 2015 nur in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden vermarktet worden war, machte Kilchoman ihn ab 2016 zu seiner nach dem Machir Bay zweiten ständig verfügbaren Abfüllung (»General Release«).

Im Vergleich zum Machir Bay enthält der Sanaig einen deutlich höheren Sherryfassanteil. Er besteht zu ca. 90% aus in Oloroso Sherryfässern und zu ca. 10% in Bourbonfässern gereiftem Whisky. Im Unterschied zum Loch Gorm werden hier aber die kleineren Sherry Hogsheads verwendet. Die im Verhältnis zum Volumen deutlich größere Oberfläche dieser Fässer verleiht dem Whisky sehr schnell einen deutlichen Sherrygeschmack und eine dunkle Farbe. Dagegen ist über die Jahre in Sherry Butts gereifter Whisky deutlich ausgewogener und komplexer.
Der gerade einmal 5 Jahre alte Whisky wurde schnell zu einem Kilchoman-Verkaufsschlager. Das steigerte sich noch, als Ende 2019 die sogenannten »Dark Batches« erschienen, deren Farbe noch deutlich dunkler als die der vorangegangenen „normalen“ Batches ist, sogar dunkler als die eines Loch Gorm. Der Farbunterschied war zunächst nur ein Zufall von einigen in diesen Batches verwendeten besonders farblich aktiven Sherryfässern, geschmacklich ist der Unterschied zu den helleren Batches minimal. Es zeigte sich aber sehr schnell, dass sich die »Dark Batches« deutlich besser als die helleren Varianten verkauften, die Whiskywelt tickt leider immer noch so, dass dunkle Farbe Qualität und Alter verheisst.
Daher versucht Kilchoman seitdem durchgängig einen dunkleren Farbton zu erzielen und bat die Bodega José y Miguel Martín, entsprechend aktive Fässer zu liefern. Wie genau die Firma dies erreicht, ist ihr Betriebsgeheimnis, es soll aber laut Anthony Wills kein Problem sein. Als Whiskyliebhaber, der früher mit Paxarette-Macallans sozialisiert wurde – und diese toll fand – erspare ich mir an dieser Stelle eine Fortsetzung der kritischen Diskussionen zu Fragen, wie „feucht“ ein Sherryfass noch sein darf um den SWA-Regularien zu entsprechen und ähnliche Spekulationen…

Um die große Anzahl an Einzelfassabfüllungen von in Oloroso Sherryfässern gereiften oder nachgereiften Kilchoman-Whiskies hier darzustellen, fehlt der Raum und das würde auch schnell sehr unübersichtlich werden. Es sollen an dieser Stelle daher nur einige herausragende und/oder wichtige Beispiele genannt werden.

Die ersten Einzelfassabfüllungen von Oloroso Sherryfässern erschienen Ende 2010 in Dänemark, Deutschland, Frankreich und Japan. Diese waren gerade einmal 3 bzw. 4 Jahre alt, ließen aber schon erahnen, dass das Kilchoman-Destillat auch mit dieser Fassart gut harmonieren würde. Diesen ersten Releases folgten seitdem mehr als 100 weitere in allen weltweiten Kilchoman-Absatzmärkten, die von Jahr zu Jahr immer neue Altersrekorde aufstellten bis 2023 (siehe unten) die derzeit älteste gut 16 Jahre alte Abfüllung erschien.

Ein besonders gelungenes Beispiel der in den frühen Jahren erschienenen Sherryfass-Vollreifungen stellt die Abfüllung des Sherry Butts 429/2009 für The Nectar in Belgien dar, die Ende 2014 erschien. Der gerade einmal 5 Jahre alte Whisky überzeugt mit erstaunlich vielschichtigen Geschmacksnoten und wirkt schon sehr ausgewogen.

Die Fèis Ìle 2016 Release, eine am 16.5.2016 veröffentlichte Abfüllung des Oloroso Sherry Butts 429/2007, kann als Beispiel für einen Whisky gelten, wo der Sherryfasseinfluss deutlich dominiert und den Destilleriecharakter völlig verdeckt. Gerade bei seinen Sherryfass-Abfüllungen ist Kilchoman ja stets bestrebt, einen zu großen Fasseinfluß zu vermeiden. Aber auch dieser an einen GlenDronach Parliament erinnernde Whisky stellt eine Art von Benchmark dar und sollte von jedem Kilchoman-Fan probiert werden.

Die unserer Meinung nach bisher beste, weil komplexeste und augewogendste Kilchoman Sherryfass-Abfüllung ist die 10. Exklusiv-Ausgabe für die Mitglieder des Kilchoman-Clubs, die am 12. Dezember 2021 erschienen war. Es handelt sich um eine Small Batch von drei knapp 13 Jahre alten Oloroso Sherry Fässern. Ihre überragende Qualität verdankt diese Abfüllung nicht nur ihrem Alter sondern offensichtlich auch ihrer speziellen Entstehungsgeschichte. Destilliert im Dezember 2008 reifte der Whisky zunächst in Oloroso Sherry Butts. Da Anthony Wills im Jahre 2016 mit seiner Entwicklung nicht zufrieden war, entschied er, ihn in drei Refill Oloroso Hogsheads umfüllen zu lassen. 5 Jahre später, befand sich der Whisky dann auf dem Höhepunkt seiner geschmacklichen Entwicklung und wurde im November 2021 abgefüllt.

Am 1. Juni, dem Kilchoman Open Day des Fèis Ìle 2023 veröffentlichte Kilchoman als „Überrraschungsflasche“ eine 16jährige Oloroso Sherryfass-Abfüllung des Fasses Nr. 334/2006. Diese war nicht nur wegen ihres Alters eine absolute Rarität, handelte es sich doch um das vorletzte zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Sherry Butt des Jahres 2006. Sechszehneinhalb Jahre Reifung in einem frischen Oloroso Sherry Butt führten zu einem Whisky mit überragenden Sherrynoten, der aber zudem sehr komplex und ausgewogen erscheint und den Kilchoman-Destilleriecharakter noch deutlich erkennen lässt.