Geschmacksführer: Calvados-Fass
Im Jahre 2019 hatte die Scotch Whisky Association (SWA), der Interessenverband der schottischen Whiskyindustrie, die Regularien zur Fassreifung von schottischem Whisky geändert. Im Zuge des Trends Whisky in immer exotischeren Fässern zu reifen oder nachzureifen um den Konsumenten neue Geschmackserlebnisse zu bieten, waren Forderungen nach Lockerung der bisherigen, von vielen Destillerien als restriktiv empfundenen Regeln immer lauter geworden, einzelne Destillerien hatten die bestehende Regeln schon „kreativ ausgelegt“ und einzelne Calvados- oder Cidrefass-Nachreifungen auf den Markt gebracht. (Auch bei Kilchoman waren die ersten Calvados-Fässer schon vor 2019 befüllt worden.)
Nach den alten Regularien durfte schottischer Whisky nur in Eichenfässern lagern, die „traditionell in der Industrie verwendet“ worden waren, d.h. Bourbon-, Sherry-, Rum-, Wein- und Bierfässer, um nur die Wichtigsten zu nennen. Die neuen Regeln erlauben nun auch die Verwendung von Fässern, in denen vorher andere Spirituosen gereift waren, soweit eine Fassreifung Teil der traditionellen Herstellung dieser Spirituosen ist. Das sind z.B. die beiden Agaven-Schnäpse Tequila und Mezcal, Calvados sowie Obstbrände soweit sie nicht aus Steinobst hergestellt wurden. Weiterhin nicht erlaubt ist dagegen die Verwendung von Cidre- und Ginfässern.
Die erste Kilchoman Calvados Finish Single Cask Release erschien am 24. September 2020 beim österreichischen Spirituosenshop Genuss am Gaumen. Dieser folgten seitdem eine gutes Dutzend weiterer Abfüllungen weltweit, alles Nachreifungen mit einem Alter von ca. 8 Jahren und einer Nachreifungszeit zwischen 6 und 24 Monaten.
Die erste und bisher einzige Calvados-Vollreifung – eine 5 Jahre alte Einzelfassabfüllung – erschien am 25. Mai 2023 als Distillery Exclusive Release im Kilchoman Vistor Centre.
Innerhalb der Small Batch Reihe für ausgewählte Märkte, deren Konzept es bekanntlich ist, den Einfluss verschiedener „experimenteller“ Fasstypen auf den Kilchoman-Whisky zu illustrieren, erschien eine Abfüllung mit Calvadosfass-Anteil erstmals im Juni 2022 unter dem Namen French Inspiration #2 für den französischen Markt. Dieser folgten bisher eine Handvoll weiterer Releases weltweit.
Kilchoman benutzt Calvados Fässer in zwei verschiedenen Größen, Fässer in Hogshead-Größe (ca. 250 Liter) und 400 Liter Fässer. Erstere wurden für alle bisher erschienenen Calvados Single Cask Finishings verwendet, bei letzteren wendet man das so genannte Calvados Double Cask Finishing an. Da sie genau doppelt so groß wie ein American Standard Barrel sind, wird hier der Inhalt zweier Bourbon Barrels in einem 400 Liter Calvadosfass nachgereift. Dieses Verfahren hatte Kilchoman in der Vergangenheit auch schon mehrfach mit Armagnacfässern angewandt.
Kilchoman bezog seine Calvados-Fässer bisher aus verschiedenen Quellen, die Mehrzahl der Hogsheads stammt von Maison Drouin, die einen Pays d´Auge Calvados herstellen.
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Wie schmeckt Kilchoman-Whisky aus dem Calvados-Fass?
Auch das Calvados-Fass, ist ähnlich wie das Tequila Fass, ein Fass, das die typischen Geschmacksnoten eines Kilchoman Whiskies (gekochte gelbe Früchte, Zitrus, Gerstenmalz) mehr oder weniger dezent um weitere Töne ergänzt und nicht dominiert. Da ist vor allem eine zusätzliche Fruchtigkeit, die an grüne aber auch rote Äpfel erinnert. Die Kilchoman-Zitrustöne werden betont, dazu kommen Honig und nussige Noten sowie ein Geruch von frischem Holz. Alle bisherigen Abfüllungen waren sehr süß im Abgang. Auch hier sind wir auf die erste Vollreifung schon sehr gespannt!
Man muss allerdings das oben beschriebene Muster mit etwas Vorsicht betrachten, schwanken die bisherigen Kilchoman Calvados Finishings doch sehr stark in Farbe und Geschmack (siehe Foto). Und das, obwohl sie alle ähnlich alt sind und die Nachreifungszeiten sich kaum unterscheiden. Kilchoman scheint hier einen sehr heterogen Fassbestand an Calvados-Fässern erworben zu haben. Dies könnte an den unterschiedlichen Bezugsquellen liegen oder möglicherweise auch daran, dass Maison Drouin, wo die meisten Hogsheads herstammen, selbst ja keine neuen Fässer verwendet, sondern neben gebrauchten Calvados- auch ehemalige Sherry-, Port-, Rivesaltes- oder Banyuls-Weinfässer nutzt.
Das extremste Beispiel ist die Uniquely Islay – An Geamhradh 2020-Abfüllung mit einem ungewöhnlich dunklen Bernsteinfarbton, bei der außerdem das für die Erstreifung benutzte Bourbon Barrel offensichtlich schon ein äußerst aktives Fass war. Geschmacklich wirkt dieser Whisky wie eine doppelt so alte Abfüllung.
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(Von links nach rechts: 353/2014, 242/2012, 205/2013)
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